8. Künstliche Intelligenz und simulierte Realitäten
Neben den Entwicklungen in der Genetik und Molekularbiologie spielen Innovationen aus der Robotik und Informationstechnologie eine immer größere Rolle und inzwischen ist auch von tatsächlichen Verschmelzungen von Menschen und Maschinen, nicht nur auf mechanischer sondern auch auf kognitiver Ebene, die Rede. Zusammengenommen sind dies nicht nur technische Neuerungen, die das Leben des Menschen verändern, sondern die Lebensentwicklung selbst, also die Evolution, prägen können. In der fast 4 Milliarden Jahre alten Geschichte des Lebens auf der Erde waren die Mechanismen der Evolution an natürliche Selektion und an organisches Leben gebunden. Mit der Schaffung künstlicher Intelligenz könnten die Menschen die natürliche Selektion tatsächlich durch intelligentes Design ersetzen. Hierbei ist ausdrücklich nicht das intelligente Design einer wie auch immer gearteten Gottheit gemeint, sondern das intelligente Design des Menschen – des Homo Deus (80). In diesem Kontext wäre intelligentes Design nicht nur Ausdruck dafür, dass etwas durch „intelligentes Design“ entworfen wurde, sondern, dass dieses entworfene Design selbst intelligent ist. Ab wann und ob man künstliche Intelligenz als Leben bezeichnet, ist natürlich Definitionssache, aber wir wollen die klassischen biologischen Lebensdefinitionen hier einfach mal ausklammern und intelligente Daseinsformen mit dem ihnen innewohnenden Potential, „Eigenleben“ zu entwickeln, als Leben klassifizieren. Mit künstlicher Lebensintelligenz würde das bis dato immer organische Leben erstmals in der inorganischen Welt manifest werden. Damit könnte die Kopplung des Lebens an das Organische und sogar an unseren Planeten hinfällig werden.
Möglicherweise entwickelt sich die künstliche Intelligenz zur dominierenden Lebensform auf der Erde, während der Mensch sich selbst gerade die Lebensgrundlage entzieht (58). Künstliche Intelligenz ist, wenn sie nicht mehr auf uns angewiesen ist, prinzipiell auch räumlich universell, braucht, also eigentlich auch keinen Planeten mehr. Vielleicht irgendwann nicht einmal mehr Materie und schließlich auch weder Zeit noch Raum.
Öffnen sich mit künstlicher Intelligenz die Dimensionen der Unendlichkeit und der Unsterblichkeit einer Menscheitsschöpfung, deren Fortbestand die eigentliche Existenzzeit des Homo sapiens, die, während ich diese Zeilen schreibe, kaum länger als 300.000 Jahre umfasst, lange, vielleicht gar ewig überdauern wird?
Für uns, Homo sapiens, ist dieser Gedanke einer unsterblichen von uns geschaffenen Intelligenz, obgleich faszinierend, wenig hilfreich, um uns in unserem Alltag und der Zukunft dieses Alltags zurechtzufinden. Für den einzelnen Homo sapiens birgt KI sogar viele bedrohliche Dimensionen.
Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf das Alltagsleben des Menschen
Was bedeutet künstliche Intelligenz für die Arbeit (den Arbeitsmarkt)? Was für die Gesellschaft, das Zusammenleben, die Organisation unserer Gesellschaften (Politik)? Wie schon bei der ersten industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhunderts werden viele Berufe verschwinden oder marginalisiert werden. Dafür entstanden damals neue Berufe. Vor der Industrialisierung waren Hufschmiede in fast jeder größeren Siedlung Europas gefragte Spezialisten. Im 20. Jahrhundert spielt der Beruf des Hufschmieds nur noch eine marginale Rolle, während Automechaniker für die Mobilität gefragt sind. Aber während die Existenz von Tätigkeiten, die den Menschen erfordern damals nicht wirklich in Frage gestellt werden mussten, könnte KI dafür sorgen, dass diesmal viel mehr Tätigkeiten wegfallen, als neue dazukommen, so dass ein Großteil der Menschen sich andere Wege der Lebenserfüllung suchen muss und andere Modelle gefunden werden müssen, den Menschen ein Auskommen zu gewähren, wenn Erwerbsarbeit nicht mehr auf breiter Fläche angeboten werden kann. Schlimmstenfalls entsteht eine neue unterprivilegierte Massenklasse, die der Überflüssigen (81).
Wenn Autos, Busse, Züge und vielleicht sogar Flugzeuge und Schiffe irgendwann vollkommen unabhängig ohne Fahrer/Pilot/Kapitän operieren, werden sie wahrscheinlich sicherer sein und die Zahl der Unfälle erheblich reduzieren. Bei der Entwicklung autonom fahrender Systeme ist die Entwicklung sicher fahrender Systeme eines der Hauptentwicklungsziele und eine überlegene Sicherheit gegenüber menschlichen Fahrern wird eine Vorbedingung zur Einführung eines KI gesteuerten autonom fahrenden Systems. In der Anfangsphase werden sich starke Widerstände formieren, insbesondere seitens der überflüssig werdenden steuernden Menschen, aber wenn der ökonomische Imperativ sich durchsetzt, werden die Menschen keine Chance haben, sich gegen die sichereren und langfristig sicher auch billigeren KI-gesteuerten Systeme zu behaupten.
Aber auch akademische Berufe sollten sich nicht zu sicher fühlen. In angelsächsischen Ländern mit der Tendenz, Gewinne zu privatisieren und Verluste der Gesellschaft aufzudrücken, sind die Universitäten und Bildungsanstalten immer stärker zu gewinnorientierten Unternehmen geworden, die den Studenten hohe Studiengebühren abverlangen, für welche die Jungakademiker Kredite aufnehmen. Hierdurch sind die Universitätsabgänger in England und Amerika immer höher verschuldet, wenn sie ins Berufsleben starten. In den USA lag die Schuldenlast eines Hochschulabsolventen im Jahr 2016 bei durchschnittlich 37.106 US $ (82). Solche Bildungsschulden bleiben auch bei einem Privatbankrott erhalten, die Abgänger sind also gezwungen, die Schulden abzuarbeiten. Bei gut bezahlten und gesuchten Berufen wie Ärzten scheint dies ja noch gut möglich zu sein, aber bei stark konjunkturabhängigen Berufen kann sich ein teurer Hochschulabschluss als Fluch erweisen, wenn danach kein gut dotierter Job gefunden wird.
Aber wer sagt, dass KI nicht auch Ärzte in kurzer Zeit überflüssig macht? Das diagnostische Arbeiten von Ärzten folgt in der Praxis stark Algorithmen und Algorithmen sind ja heute schon eine Domäne, in der Computer dem Menschen haushoch überlegen sind, auch schon ohne KI. Derzeit dienen die Computer noch den Ärzten, die ihre Erkenntnisse in den Computer eingeben, auf dass dieser die Erkenntnisse archiviert und bestenfalls beim Ausführen diagnostischer Algorithmen behilflich ist. Dabei stehen dem Computer die Daten der Welt zur Verfügung, die auch immer wieder aktualisiert werden. Der Computer „weiss“ also schon heute mehr als der menschliche Arzt. Wenn der Computer neben der Algorithmen-folgenden Datenverarbeitungskapazität zusehends KI-Elemente integriert, könnte schon bald der interpretierende und kontextualisierende menschliche Geist des Arztes überflüssig werden. In der diagnostischen Radiologie, bei der es hauptsächlich auf Mustererkennung und Zuordnung ankommt, sind Computer dem Menschen schon überlegen. Bei den Ärzten könnte ich mir allerdings vorstellen, dass sie es durch starke berufsständische Vereinigungen schaffen, weiterhin als Beruf bestehen zu bleiben und sich Privilegien zu erhalten, da die Medizin auch eine stark kommunikativ-interaktive Komponente aufweist. Allerdings ist das Medizinstudium einer der teuersten Studiengänge, so dass, rein wirtschaftlich betrachtet, auch hier ein deutlicher Kostenvorteil besteht, wenn man den menschlichen Arzt durch KI ersetzt.
Im 20. Jahrhundert haben sich Maschinen bei mechanischen, kraftaufwendigen Tätigkeiten als überlegen erwiesen und den Menschen von körperlichen Arbeiten verdrängt. Im 21. Jahrhundert könnten Maschinen den Menschen auch bei kognitiven Tätigkeiten überbieten und ihn verdrängen. Ob der Mensch auf Dauer dann noch die Macht über die KI behält, ist fraglich.
Wenn aber große Teile der Gesellschaft zu den ökonomisch „Überflüssigen“ zählen, haben sie auch keinerlei politische Macht mehr. Piloten, Lokführer und Busfahrer können als Interessengruppe Macht ausüben und haben Druckmittel, klassischerweise den Streik. Wenn aber der gesamte Flug-, Zug- und Busverkehr KI-gesteuert läuft, liegt die gesamte Macht beim Eigentümer des Verkehrssystems. Durch die mit der Globalisierung einhergehenden Monopolisierungstendenzen könnte z.B. der weltweite Busverkehr durch ein einziges Großunternehmen kontrolliert werden. Das ist Macht! Man denke nur daran, wie sich das Unternehmen Uber weltweit ausgebreitet hat und dies im kleinteiligsten und bis dato am stärksten lokal organisierten Teil des öffentlichen Verkehrs (Taxiverkehr).
Wenn KI-gesteuerte Fahrzeuge irgendwann weniger Unfälle verursachen werden als Mensch-gesteuerte, wird dies eines der Hauptargumente für deren Einführung sein. Diese Sicherheit ist darin begründet, notwendige Entscheidungen schnell und korrekt zu treffen: Eine Entscheidungssicherheit. Paradoxerweise kann diese „Entscheidungssicherheit“ von KI auch in die Katastrophe führen:
Richtige falsche (Mensch) und falsche richtige Entscheidungen (KI)
Das Konzept der gegenseitig zugesicherten Totalzerstörung (mutual assured destruction) durch Atomwaffen hat atomar gerüstete Staaten bislang davon abgehalten, sich gegenseitig anzugreifen. Im Kalten Krieg belauerten sich insbesondere die USA und die UDSSR und trotz einiger Beinahe-Atomkrieg-Ereignisse (Kuba Krise, Able Archer 1983) ist es nie zu einem atomaren Schlagabtausch gekommen. Bekannt geworden ist der Fall des russischen Offiziers Stanislaw Petrov, der trotz der Radarmeldung eines Raketenstarts im Mittleren Westen der USA diesen nicht weitermeldete und auch nach einer weiteren Radarmeldung kurze Zeit später, die den Start von 4 Raketen im Mittleren Westen implizierte, zu seiner Entscheidung stand, dass es sich um „falsch positive“ Signale handelte. Die vorschriftsmäßige Reaktion wäre die unmittelbare Meldung an die sowjetische Staatsführung gewesen, die gemäß der damaligen „mutual assured destruction“ Doktrin mit einem „All out“ nuklearen Gegenangriff geantwortet hätte, was zur potentiellen Vernichtung der Menschheit, mindestens aber zum Tod von Milliarden von Menschen geführt hätte.
Die Entscheidung gemäß der „mutual assured destruction“ Strategie zu handeln und einen Gegenschlag auszuführen, musste damals innerhalb einer halben Stunde gefasst werden, da sonst die eigenen Raketensilos und damit die Gegenschlagskapazität durch Einschläge der Angreiferraketen vernichtet worden wären. Die bewusste Verletzung des vorschriftsmäßig vorgegebenen Algorithmus durch Stanislaw Petrov hat also die Menschheit vor einem Atomkrieg bewahrt. Inzwischen stehen NATO Raketen in Osteuropa, wodurch die Reaktionszeitzeit, innerhalb der nach der „mutual assured destruction“ Strategie die Gegenschlagsraketen gestartet werden müssten kürzer geworden ist, zumal durch moderne Hyperschallraketen (schnellere Rakten) auch die Flugzeit der Raketen reduziert wurde. Bei solch einem immer kleiner werdenden Zeitfenster wird die „mutual assured destruction“ Strategie nur aufrechtzuerhalten sein, wenn der Angegriffene noch in der Lage ist, die Entscheidung zum Gegenschlag vor der Zerstörung der eigenen Raketensilos durch die Angreifer zu treffen. Wenn es aber darum geht, Entscheidungsalgorithmen in kurzer Zeit ablaufen zu lassen, ist KI dem Menschen überlegen. Wäre anstelle Stanislav Petrov ein KI-Computer gewesen, hätte dieser wohl einen Atomkrieg ausgelöst. Dies wäre operationell, zumindest dem Algorithmus gemäß, die richtige Entscheidung gewesen. Die falsche richtige Entscheidung, wie wir heute wissen, zumindest wenn man das Überleben der Menschheit für wichtig hält. Stanislav Petrov hingegen hat uns mit seiner nach Algorythmus falschen Entscheidung vor der nuklearen Katastrophe bewahrt – seiner richtigen falschen Entscheidung, zumindest wenn man das Überleben der Menschheit für wichtig erachtet.
Und wenn wir doch in einer Simulation leben?
Als ich im November 2018 die Ruinen der persischen Metropole Persepolis besuchte lud mich der Fahrer mit der Anmerkung ab, ich solle ihn eine halbe Stunde, bevor ich fertig bin, anrufen. Das war ein fairer Deal, so musste er sich nicht auf dem Parkplatz langweilen, sondern konnte im Nachbarort vielleicht noch den einen oder anderen Taxikunden chauffieren. Eigentlich dachte ich, dass ich ihn tatsächlich 1 ½ bis 2 Stunden später anrufen würde, damit wir danach noch einige historische Stätten in der Nachbarschaft anfahren könnten. Letztendlich verbrachte ich fast 5 Stunden in Persepolis und war danach derart mit Eindrücken gesättigt, dass ich (wohl sehr zur Erleichterung des Fahrers) direkt nach Schiraz zurückwollte.
Was aber hat das Trümmerfeld für mich so faszinierend gemacht, dass ich mich kaum davon lösen konnte? Nun, am Eingang kann man einen Audio-Guide in Kombination mit einem 3-D Betrachtungsgerät leihen (http://persepolis3d.com). Wohlgemerkt war das Betrachtungsgerät keine 3D Brille, die man aufsetzen konnte, da dies wohl die Unfallgefahr erhöht hätte, wenn arglose Touristen, die virtuell animierten alten Palasträume vor sich sehen, aber dabei über ganz reale Steintrümmer stolpern. Stattdessen musste man in das vor die Augen gehaltene Gerät schauen. Der Blick fühlte sich auch nicht wirklich real an. Lediglich die Räume des Palastes waren simuliert, so dass man den Eindruck bekam, wie der Palast einmal ausgesehen hatte. Man konnte sich in die verschiedenen Richtungen drehen, während man den Erklärungen des Audio Guides lauschte. Die Räume waren aber weitgehend leer (ohne Möbel) und andere Menschen waren nicht Bestandteil der Simulation. Dennoch war es für mich außerordentlich faszinierend, in die einstmalige räumliche Struktur des Palastes einzutauchen.
Computerspielsucht ist inzwischen ein ernsthaftes Problem für viele Heranwachsende. Da die Computerwelten immer besser werden und das „Leben“ in solchen Kunstwelten oftmals auch viel spannender ist als die Alltagsrealität eines Teenagers im 21. Jahrhundert, kann ich deren Abtauchen sogar verstehen. Wenn aber diese Flucht in virtuelle Welten jeden Tag viele Stunden in Anspruch nimmt, bleibt weniger Zeit für das reale Leben übrig, worunter z.B. der Schulerfolg leiden kann und somit die Gefahr besteht, nicht im realen Leben Fuß zu fassen. Aber vielleicht verschmelzen reale und simulierte Welten zusehends? Entscheidend für den Lebenserfolg unseres mehr auf virtuelle Welten konzentrierten Teenagers könnte hierbei sein, inwiefern er sich in naher Zukunft „virtuell“ seinen Lebensunterhalt verdienen kann, also wie sich Wirtschaftsräume im virtuellen Raum bilden bzw. inwiefern virtuelle und Realwirtschaft miteinander verschmelzen. Die meisten zeitraubenden virtuellen Welten stellen allerdings doch eher in sich abgegrenzte Welten dar, in der sich Phantasiecharaktere begegnen und die Welt, in der das stattfindet, eine Welt für sich ist. Ich denke mir selbst des Öfteren, dass ich vielleicht mal als Rentner anfangen werde, an solchen Spielen teilzunehmen bzw. in solche virtuellen Welten abzutauchen. Aber möglicherweise würde ich da wenig Freude (und wenig virtuelle Freunde) finden, da ich als vollkommen unerfahrener Neuling in einer für mich neuen Welt wenig Lebenserfolg für mich verbuchen könnte. In der virtuellen Welt wäre ich möglicherweise unzufriedener als in der realen. Aber ich könnte doch einfach eine andere virtuelle Welt wählen. Es gibt ja genug Auswahl und die virtuelle Welt muss ja nicht unbedingt interaktiv sein. Es sollte doch möglich sein, jedem Menschen seine virtuelle Welt zu schaffen, auch für mich, oder? Tausende, oder vielmehr Millionen, gar Milliarden von virtuellen Welten.
Die Qualität der Simulation sollte in 20 Jahren eigentlich so gut sein, dass sich die virtuellen Welten gar nicht mehr von den realen unterscheiden lassen. Auch müsste ich nicht immer in derselben virtuellen Welt unterwegs sein, sondern könnte nach einem Tag im Alten Rom ein paar Tage im fernen Angkor Wat des 11. Jahrhunderts zubringen, oder in meine eigene Jugend zurückgehen und all die Liebesabenteuer erleben, die mir damals nicht vergönnt waren. Kurzum: Die Zahl der möglichen virtuellen Welten kennt eigentlich keine Grenzen.
Wenn es aber nur eine reale Welt, aber unzählige virtuelle Welten gibt, wie verschwindend gering ist dann eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass ich in einer realen Welt lebe? Oder gibt es nicht nur unendlich viele virtuelle, sondern auch unendlich viele reale Welten und gäbe es dann überhaupt noch einen Unterschied zwischen realer und virtueller Welt? Dann fragt sich allerdings, welches das Substrat ist, in dem mein Leben (real oder virtuell) stattfindet. Mit den verschiedenen Welten habe ich ja schon die beiden Dimensionen (Substrate) Zeit und Raum angesprochen, die bei unendlich vielen Parallelwelten wohl zwangsläufig ebenfalls unendlich sein müssen, also „Ewigkeit“ für die Zeit und „Endlosigkeit“ für den Raum. Das Substrat, in dem mein/das Leben stattfindet, könnte man dann vielleicht als Geist bezeichnen, wobei das Undenkbare dann das Nichts wäre.
In der amerikanischen Sitcom-Serie “The Big Bang Theory” entspannt sich folgender Dialog zwischen Sheldon Cooper und Penny, der Freundin seines Mitbewohners, die gerade temperamentvoll zu lauter Shania Twain Musik singend und tanzend Toast für das Frühstück zubereitet:
[Originalenglisch:
Penny: Morning Sheldon…..come dance with me!
Sheldon: No.
Penny: Why not?
Sheldon (switches of the music): Penny, while I subscribe to the “Many Worlds Theory”, which posits the existence of an infinite number of Sheldons in an infinite number of universes, I assure you that in none of them am I dancing.
Penny: Are you fun in any of them?
Sheldon: The math would suggest that in a few of them I’m a clown made of candy, but I don’t dance. ]
Penny: Morgen Sheldon…..komm, tanz mit mir!
Sheldon: Nein.
Penny: Warum nicht?
Sheldon (schaltet die Musik ab): Penny, derweil ich mich der “Multiple Welten Theorie” anschließe, welche die Existenz einer unendlichen Zahl von Sheldons in einer unendlichen Zahl von Universen postuliert, versichere ich Dir das ich in keiner von ihnen tanze.
Penny: Hast Du in einer von ihnen Spaß?
Sheldon: Die Mathematik würde nahelegen, dass ich in einigen von ihnen ein Clown aus Kandiszucker bin, aber ich tanze nicht.
(Sheldon Cooper und Penny sind durch Schauspieler simulierte Charaktere, deren simulierte Existenz gefilmt und in der Serie „The Big Bang Theorie“ zwischen September 2007 und Mai 2019 zur Ausstrahlung kam)
Die von Sheldon Cooper angesprochene Paralleluniversentheorie lässt sich eher denken, wenn diese Welten nicht real, sondern simuliert sind, also nur aus Informationen bestehen, ohne Materie auskommen und keinen echten Raum beanspruchen. Unheimlich viele und unendlich viele mögliche Simulationen können wir uns noch vorstellen. Für unendlich viele reale Universen wäre jedoch unendlich viel Raum notwendig. Dass Unendlichkeit in Raum und Zeit nicht vorstellbar ist, ist uns allen schon als junger Mensch bewusst geworden, wenn wir z.B. im Zeltlager sternenklaren Himmel über uns hatten. Allerdings wurde uns da auch klar, dass auch Endlichkeit nicht vorstellbar ist, zumindest nicht ohne die Frage, was denn jenseits der Endlichkeit (in Raum und Zeit) sein soll. Eigentlich ist die Existenz an sich nicht vorstellbar, genauso wenig wie die Nichtexistenz nicht vorstellbar ist.
Aus der Physik gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass es gar keine Realität gibt, sondern (unendlich viele) simulierte Paralleluniversen, Parallelwelten. Was mir als Jugendlicher am Atomaufbau nie ganz einleuchten wollte, ist die Tatsache, dass die Protonen, Neutronen und Elektronen nur einen verschwindend geringen Raum des Atomvolumens einnehmen. Selbst wenn man Elektronen nicht als Teilchen, sondern als Wellen ansieht, besteht ein Atom demnach größtenteils aus leerem Raum. Wie ist es dann möglich, dass alle Objekte, alles Dingliche und alles Lebende, alles, was in unserer Welt existiert, aus Atomen aufgebaut ist, die zu 99% aus „Nichts“ bestehen? (Die Antwort ist wohl weil diese durch Kräfte (Energie) zusammengehalten werden).
Wenn Licht durch einen ganz engen Spalt fällt, entsteht auf dem Detektionsschirm eine Streuung mit besonders starker Lichtintensitätswahrnehmung auf der dem Zentrum des Spalts entsprechenden Detektionsfläche und rasch abnehmender Intensität, je weiter man sich von dieser Linie entfernt. Offenbar wird das Licht im Spalt nach außen abgelenkt, so dass eben keine Gerade auf dem Schirm entsteht, sondern ein unklar begrenzter Streifen.
Wenn man das Experiment mit 2 parallel nebeneinanderstehenden Spalten durchführt (Doppelspaltversucht), würde man 2 parallele Linien auf dem Detektionsschirm erwarten. In der Tat gibt es solche parallelen Linien hoher Intensität, allerdings gibt es weitere Linien abnehmender Intensität, je weiter man von den Linien nach außen geht. Und, besonders bemerkenswert: In der Mitte des Detektionsschirms, also zwischen den beiden Spalten, entsteht eine Linie höchster Intensität. Hier überlagert sich offenbar das Licht beider Spalten zu einem Maximum. Die Abnahme der Intensität verläuft nicht kontinuierlich nach außen hin, sondern in Form schwächer werdender, nach außen hin unklar abgegrenzter Balken, zwischen denen dunkle Balkenflächen liegen. Auch die dunklen Flächen entstehen durch Überlagerungsphänomene. Offenbar treten die Lichtphotonen als „Teilchen“ durch den Spalt und werden als Wellen auf dem Detektionsschirm wahrgenommen. Die Wellen überlagern sich und sorgen dafür, dass es zu Hell- (Maxima) und Dunkelflächen (Minima) kommt.
Auch mit anderen Quantenobjekten als Lichtphotonen (z.B. Elektronen, Ionen) lässt sich dieser Spaltversuch durchführen. Quantenobjekte wie Elektronen lassen sich nicht eindeutig als Teilchen oder als Welle bezeichnen. Dieses Phänomen wird als Welle-Teilchen-Dualismus bezeichnet. Für Teilchen lässt sich ein fester Ort bestimmen, während sich für Wellen kein fester Ort bestimmen lässt. Dafür hat eine Welle eine Richtung und eine Geschwindigkeit (Impuls), die sich bestimmen lassen. Für ein Teilchen hingegen lässt sich der Impuls wiederum nicht bestimmen. Für Elektronen lässt sich entweder ein Ort oder ein Impuls definieren, aber nie beide gleichzeitig.
Daraus folgt in der Quantenphysik, dass der Ort eines Photons oder eines Elektrons unbestimmt bleibt und nur durch eine Messung definiert wird. Oder anders ausgedrückt: Nur durch das „Hinschauen“ (messen) wird das Photon oder Elektron an dem gemessenen Ort existent (ohne, dass sich hierbei der Impuls feststellen ließe). Auch diese Definition der (wahrgenommenen) Realität (Simulation?) lässt sich im Doppelspaltversuch nachweisen: Wenn man mit einer Elektronenkanone viele Elektronen nacheinander durch den Doppelspalt schießt und gleichzeitig eine Elektronenmessung im Spalt durchführt, so werden am Detektionsschirm keine Wellenmuster (Interferenzmuster), sondern Teilchenmuster (ohne Interferenzstreifen) entstehen. Ob Elektronen Wellen oder Teilchen sind, hängt also nicht von ihnen innewohnenden Eigenschaften ab, sondern vom Betrachter: Werden die Welleneigenschaften (Impuls = Richtung und Geschwindigkeit) gemessen, verhalten sich die Elektronen wie Wellen; werden die Teilcheneigenschaften (Ort) gemessen, verhalten sich die Elektronen wie Teilchen.
Wenn wir das auf unsere Welt übertragen, wird diese erst durch den Umstand, dass wir „hinschauen“, existent. Virtuelle Welten in Computerspielen funktionieren ähnlich: Dort ist auch keine komplette Welt simuliert, sondern es wird jeweils nur der Teil der Welt simuliert, die der Spieler gerade wahrnimmt. Wenn sich die Handlung eines Computerspiels in einem Haus abspielt, wird, wenn der Spieler das Badezimmer betritt, dieses simuliert, während die anderen Zimmer nur als mögliche Welten verbleiben, die real werden, wenn der Spieler diese betritt und sie somit seiner Wahrnehmung aussetzt.
Verschränkung
Die Verschränkung von Elektronen ist ein geradezu unheimliches Phänomen: Elektronen drehen sich um die eigene Achse, sie haben einen „Spin“. Jeweils 2 Elektronen sind derart miteinander verschränkt, dass, wenn ein Elektron sich im Uhrzeigersinn mit einem gewissen (positiven) Spin dreht, dann dreht sich das andere Elektron mit genau demselben (jedoch negativen) Spin in die entgegengesetzte Richtung, so dass der Gesamtspin der miteinander verschränkten Elektronen 0 ergibt. Die Spinbilanz der beiden Elektronen bleibt auch bestehen, wenn diese Lichtjahre voneinander entfernt sind. Diese raumunabhängige Verschränkung erscheint dann am plausibelsten, wenn man den Raum als nicht real annimmt, sondern lediglich als simuliert.
Obgleich der Gedanke, dass unsere Welt nicht real ist, zunächst einmal sehr beunruhigend wirken kann, liegt auch viel Tröstliches in der Simulationshypothese. Das Filmlied „Always look on the Bright Side of Life“ des britischen Satireklassikerfilms „Monty Python’s Life of Brian“ endet mit der gesprochenen Bemerkung „You know, you come from nothing, you’re going back to nothing. What have you lost? Nothing!“ (Weißt Du, Du kommst aus dem Nichts, Du gehst zurück ins Nichts. Was hast Du verloren? Nichts!).
In einer Simulationswelt lassen sich auch problemlos nicht-wissenschaftliche Phänomene und Weltanschauungen integrieren. Déjà-Vu Erlebnisse, Geister, Ufosichtungen, Aliens und alle anderen paranormalen Beobachtungen und Aktivitäten wären demnach lediglich Spielarten der Simulation. Auch Religionen fügen sich problemlos in simulierte Welten ein. Das Schöne in einer virtuellen Realität ist eben, dass alles möglich ist (was leider unserer Alltagswahrnehmung widerspricht).