19. Epilog

Hararis‘ „Wer die Daten hat, der hat die Macht“ enthält im Kern die altbekannte Weisheit „Wissen ist Macht“. Harari warnt zu Recht vor einer Konzentration der Daten bei den wenigen Superreichen (und Mächtigen) der Welt. Die Netzwerke dieser Mächtigen operierten bisher meist im Verborgenen und auch heute noch dürften viele der mächtigsten Akteure weitgehend unbekannt sein. Allerdings ist diese Macht der Wenigen über die Vielen (Humes‘ Paradoxon) derzeit bedroht. Das Internet ermöglicht es nämlich den vielen sich zu vernetzen und Informationen ans Licht zu zerren und auszutauschen.

 

Im Jahr 2020 tobte der Kampf der Mächtigen um den Erhalt ihrer Macht und untereinander um die Macht besonders heftig. Solche Machtkämpfe dürften nichts Neues sein, jedoch sind diese Kämpfe im Jahr 2020 plötzlich auch für die Vielen, der Macht Unterworfenen, spürbar geworden. Natürlich sind nicht alle Reichen und Mächtigen „böse“. Es ist sogar davon auszugehen, dass die „Vielen“ der Macht unterworfenen auch mächtige Unterstützer unter den Reichen haben, die Frieden und Freiheit aller Menschen fördern. Ohne solch mächtige Unterstützung ist eine „Befreiung“ der Menschen schwerlich denkbar. Allerdings besteht auch wieder die Gefahr, dass die „Vielen“ passiv bleiben und auf einen „Erlöser“ hoffen. Voraussetzung ist aber, dass genügend Menschen sich selbst „innerlich befreien“, also ihr Handeln weniger von externen Einflüssen leiten lassen. Natürlich kann ein Mensch in einer komplexen Gesellschaft nicht vollkommen frei sein. Alltagsfreiheiten waren jedoch vor 2020 weltweit so ausgeprägt, dass die meisten Menschen die existierenden (Schein?) Freiheiten als zufriedenstellend empfanden. Erst die enormen globalen Freiheitseinschränkungen des Jahres 2020 haben dazu geführt, dass viele Menschen sich externer Unterdrückung- und Freiheitseinschränkungen erst bewusst geworden sind. Für viele der „Vielen“ hat geradezu ein Prozess des Erwachens eingesetzt.

 

Viele der „Vielen“ dürften auch zum ersten Mal gespürt haben, dass sie de facto eben nicht frei sind. Auch spürt man eine massive Erschütterung des Vertrauens in die „Regierenden“. Ich schreibe absichtlich „spürt“, da dieser Vertrauensverlust vielen gar nicht bewusst ist oder geradezu geleugnet wird. Man möchte sich nicht eingestehen, dass man sich im Grunde eben nicht den Herrschenden anvertrauen kann. Dies erschüttert jedoch ein tiefes Urvertrauen, dass in der menschlichen Evolution entstanden ist. Der Mensch hat eine jahrelange Abhängigkeitsphase (Kindheit), in der das Vertrauen auf die elterliche Macht ein Überlebensvorteil ist. Ohne Autoritäten, denen wir vertrauen können wollen, fühlen wir uns einsamer und verlorener.

 

Vertrauen ist an sich kein schlechter Zug, kann aber leider missbraucht werden. Das weltweite Ausmaß von Machtmissbrauch wird heutzutage dank unabhängiger Jedermann-Medienportale ausgeleuchtet. Der Machtmissbrauch ist im Grunde leicht zu sehen. Der schwierigste Schritt scheint der vom „Sehen“ zum „Einsehen“ zu sein (unterbewusstes Leugnen des Gesehenen überwinden). Dieses Leugnen wird massiv von systemtreuen Medien gestützt. Die Medien sind entscheidend, wenn es darum geht Demokratische Elemente in der Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Mehrheit und Wahrheit sind immerhin zwei verschiedene Stiefel. Mehrheitsentscheidungen können Wahrheiten schaffen und idealerweise fördern demokratische (Mehrheits-) Entscheidungen im Durchschnitt das Gemeinwohl. Dies setzt jedoch voraus, dass die individuelle Meinungsbildung durch unabhängige Informationen zu Stande kommt. Die „Systemmedien“ und die wenigen internationalen Nachrichtenagenturen liegen jedoch sehr stark konzentriert in den Händen weniger Medienkonzerne. Dadurch war es diesen globalen Kartellen in den letzten Jahrzehnten möglich, die Meinung zu steuern. Formell galt in den westlichen Ländern Meinungsfreiheit. Wenn die Menschen Ihre Meinung frei äußern dürfen, ist es für die Machtausübenden wichtig sicherzustellen, dass die Mehrheitsmeinung deren Macht stützt. Durch die Freiheiten des Internets wird dieses Meinungsbildungskartell und damit die bestehende Macht angegriffen.

 

Wenn wer die Daten hat, die Macht hat, müssen, wenn die Macht verteilt werden soll, auch die Daten verteilt werden. Dezentralisierung statt Zentralisierung! Bei den Informations­medien haben sich inzwischen viele unabhängige Akteure herausgebildet. Diese werden zwar von den global-mächtigen Akteuren, die ihre über internationale Nachrichten­agenturen organisierte Propagandamacht herausgefordert sehen, bekämpft. Jedoch scheint wird sich die Wahrheitsfindung der Vielen nicht dauerhaft unterdrücken lassen. Die unabhängige Medien­landschaft ist inzwischen so weit verbreitet, dass die Mächtigen diese auf lange Sicht nicht ein­dämmen werden können. Die Zahnpasta ist aus der Tube!

 

 Die vielen unabhängigen Akteure sind, wenn nach Kriterien der evolutionären Selektion betrachtet, aufgrund Ihrer Vielfalt und dezentralen Organisation auch resilient, bzw. antifragil. Je mehr zensiert und unterdrückt wird, umso stärker entlarvt sich das Medienmachtmonster der mächtigen Reichen. Im Gegensatz zu großen Medienhäusern und Nachrichtenagenturen haben die „kleinen Unabhängigen“ auch viel mehr „Haut im Spiel“. Hierdurch ist das Mediensystem der vielen Kleinen als Ganzes antifragil (wenn auch der einzelne Akteur viel stärker bedroht ist als ein gut bezahlter, systemkonformer Redakteur in einem großen Medienhaus). Das schädigende Prinzip der Mächtigen und der mächtigen Medienhäuser liegt darin, dass sie Macht ausüben, dabei jedoch nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn durch diese Macht Schaden entsteht. Diese Macht ohne Verantwortung wird durch die vielen kleinen Medienschaffenden immer deutlicher sichtbar gemacht (136).

 

Die traumatisierenden Entwicklungen, die uns im Jahr 2020 aufgezwungen wurden, mögen zwar für jeden einzelnen schmerzhaft und traumatisierend sein, lassen aber hoffen, dass immer mehr Menschen „erwachen“, nach echter Selbstbestimmung streben, ihre Souveränität anstreben. Wenn hier eine kritische Masse erreicht wird, kann das Volk wenigstens zum Teil, die pro forma deklarierte Rolle als Souverän zurückholen, statt sich den Superreichen und internationalen Konzernen gänzlich zu unterwerfen. 

 

Hinsichtlich der Transhumanistischen Entwicklungen, ist eine weltweite breite Diskussion notwendig, wie die Schnittstelle zwischen Menschen und Maschinenwelt zu gestalten und vor zu enger und irreversibler Verschmelzung zu schützen ist. Diese Schnittstellen sind derzeit unsere Sinne (sehen, spüren, hören). Mit implantierten Schnittstellen (z.B. Mikrochip unter der Haut oder im Muskelgewebe) würde die Schnittstelle der Eigenkontrolle entzogen. Wenn der Mensch frei bleiben will darf die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine nicht inkorporiert werden. Wir sind die Vielen. Wir schaffen das.