18. The Great Reset – der große Neustart
Der in diesem Buch schon mehrfach erwähnte Historiker Yuval Harari war im Jahr 2018 zum Weltwirtschaftsforum in Davos eingeladen wo er einen an sein Buch „Homo Deus“ angelehnten Vortrag hielt:
Die folgenden Vortragsabschnitte sind jeweils im Originalenglisch mit folgender Übersetzung wiedergegeben:
“I want to talk to you today about the future of our species and really the future of life. We are probably one of the last generations of Homo sapiens. Within a century or two earth, will be dominated by entities that are more different from us than we are different from neanderthals or chimpanzees. Because in the coming generations we will learn how to engineer bodies and brains and mind. These will be the main products of the economy, of the 21st century. Not textiles and vehicles and weapons, but bodies and brains and minds. But how exactly will the future masters of the planet look like? This will be decided by the people, who own the data. Those who control the data control not only the future of humanity, but the future of life itself.”
“ Ich möchte heute zu Ihnen über die Zukunft unserer Art reden und tatsächlich über die Zukunft des Lebens. Wir sind wahrscheinlich ein der letzten Homo sapiens Generationen. Innerhalb eines oder zwei Jahrhunderten wird die Erde von Wesen bevölkert sein, die sich stärker von uns unterscheiden, als wir uns von Neandertalern oder Schimpansen unterscheiden. Denn in den kommenden Generationen werden wir lernen, Körper und Gehirne und Geist zu erschaffen. Diese werden die Hauptprodukte der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts werden. Nicht Textilien, Fahrzeuge und Waffen, sondern Körper, Gehirne und Geist. Aber wie genau werden die zukünftigen Herrscher des Planeten aussehen? Dies wird von den Menschen, die die Daten besitzen entschieden werden. Die, welche die Daten kontrollieren, werden nicht nur die Zukunft der Menschheit kontrollieren, sondern die Zukunft selbst.“
Today data is the most important asset in the world. In ancient times land was the most important asset. Too much land became concentrated in too few hands. Humanity split into aristocrats and commoners. Then in the modern age, in the last two centuries, machinery replaced land as the most important asset. And if too many of the machines became concentrated into few hands, humanity split into classes, into capitalists and proletariats. Now data is replacing machinery as the most important asset. And if too much of the data becomes concentrated in too few hands, humanity will split, not into classes, it will split into species.
Heutzutage sind Daten das wichtigste Vermögen der Welt. In früheren Zeiten war Land das wichtigste Vermögen. Zu viel Land war in zu wenigen Händen konzentriert. Die Menschheit spaltete sich in Aristokraten und Gemeine auf. Dann in der Moderne, in den letzten zwei Jahrhunderten, ersetzten Maschinen das Land als das wichtigste Vermögen. Und wenn zu viele Maschinen in zu wenigen Händen konzentriert waren, spaltete sich die Menschheit in Klassen, in Kapitalisten und Proletarier. Jetzt ersetzen Daten die Maschinen als die wichtigsten Vermögen. Und wenn sich zu viele der Daten in zu wenigen Händen konzentrieren, wird die Menschheit sich spalten, nicht in Klassen, sondern in Arten.
Now, why is data so important? It is important, because we have reached the point, when we can hack not only computers, we can hack human beings and other organisms. (….). So what do you need to hack a human being? You need a lot of data and a lot of computing power. Actually, biometric data, not data about what I buy, or where I go, but data about what is happening inside my body and inside my brain. (….)
Nun, warum sind Daten so wichtig? Sie sind wichtig, da wir einen Punkt erreicht haben, an dem wir nicht nur Computer hacken können, sondern Menschen und andere Organismen. (…). So, was braucht man, um einen Menschen zu hacken? Man braucht viele Daten und viel Computerrechenleistung. Tatsächlich braucht man biometrische Daten, also nicht Daten darüber, was ich kaufe oder wohin ich gehe, sondern Daten darüber, was innerhalb meines Körpers und innerhalb meines Gehirns passiert.
You can really summarize a 150 years of biological research since Charles Darwin in three words: ‘Organisms are algorithms’. (….) And we are learning how to decipher these algorithms. Now, when the two evolutions merge, when the infotech revolution merges with the biotech revolution, what you get is the ability to hack human beings. (….). Once we have algorithms that can understand me better than I understand myself they could predict my desires, manipulate my emotions and even take decisions on my behalf. And if we are not careful the outcome might be the rise of digital dictatorships.
Tatsächlich kann man 150 Jahre biologischer Forschung seit Charles Darwin in drei Worten zusammenfassen: ‚Organismen sind Algorithmen“. (…) und wir lernen dieser Algorithmen zu entschlüsseln. Jetzt, da die beiden Evolutionen verschmelzen, da die Infotechnologie mit der Biotechnologie verschmilzt, was entsteht ist die Fähigkeit, Menschen zu hacken. (…). Wenn wir erst einmal Algorithmen haben, die mich besser verstehen, als ich mich verstehe, können diese meine Begehren vorhersagen, meine Gefühle manipulieren und sogar an meiner Stelle Entscheidungen treffen. Und wenn wir nicht vorsichtig sind, könnte das Aufkommen digitaler Diktaturen das Ergebnis sein.
In the 20th century democracy generally outperformed dictatorship, because democracy was better at processing data and making decisions. We are used to thinking about democracy and dictatorship in ethical or political terms, but actually these are two different methods to process information. Democracy processes information in a distributed way. It distributes the information and the power to make decisions between many institutions and individuals. Dictatorship on the other hand concentrates all the information and power in one place.
Im 20. Jahrhundert war die Demokratie der Diktatur überlegen, da die Demokratie Daten besser verarbeiten und Entscheidungen treffen konnte. Wir haben uns daran gewöhnt, über Demokratie und Diktatur in ethischen oder politischen Begriffen zu reflektieren, aber tatsächlich sind sie zwei verschiedene Methoden der Datenverarbeitung. Demokratie verarbeitet Daten über verteilte Instanzen. Die Informationen und die Entscheidungsmacht werden über verschiedene Institutionen und Individuen verteilt. Diktaturen hingegen konzentrieren alle Informationen an einer Stelle.
Now, given the technological conditions of the 20th century, distributed data processing worked better than centralized data processing, which is one of the main reasons, why democracy outperformed dictatorship and why, for example the US economy outperformed the soviet economy. But this is true only under the unique technological conditions of the 20th century. In the 21st century new technological revolutions, especially AI and machine learning, might swing the pendulum in the opposite direction. They might make centralized data processing far more efficient than distributed data processing. And if democracy cannot adapt to these new conditions then humans will come to live under the rule of digital dictatorships. (…)
Nun, unter den Bedingungen des 20. Jahrhunderts funktioniert die verteilte Datenverarbeitung besser als die zentralisierte, welches eine der Hauptgründe sein dürfte, warum die Demokratie der Diktatur überlegen war und die US-Wirtschaft die Sowiet-Wirtschaft übertrumpfte. Aber dies gilt nur unter den einmaligen technologischen Bedingungen des 20. Jahrhunderts. Im 21. Jahrhundert könnten neue Technologien, besonders KI und Maschinenlernen, das Pendel in die andere Richtung schwingen. Sie könnten zentralisierte Datenverarbeitung weit effizienter machen als verteilte Datenverarbeitung. Wenn die Demokratie sich nicht an diese neuen Bedingungen anpassen kann, werden die Menschen unter der Macht einer digitalen Diktatur leben.
But control of data might enable human elites to do something even more radical than just build digital dictatorships. By hacking organisms elites may gain the power to reengineer life itself. (…) And if indeed we succed in hacking and engineering life, this will be not just the greatest revolution in humanity. This will be the greatest revolutions since the very beginning of life 4 billion years ago. (…) All of life was subject to the laws of natural selection and to the laws of organic biochemistry. But this is now about to change. Science is replacing evolution by natural selection with evolution by intelligent design.
„Aber die Kontrolle von Daten könnte menschliche Eliten zu etwas noch Radikalerem als dem Aufbau digitaler Diktaturen ermächtigen. Durch das Hacken von Organsimen, könnten Eliten die Macht gewinnen, das Leben selbst neu zu erschaffen. (…). Und wenn wir es tatsächlich schaffen, Leben zu hacken und neu zu erschaffen, wird dies nicht nur die größte Revolution der Menschheitsgeschichte sein. Dies wird die größte Revolution seit Beginn des Lebens vor 4 Milliarden Jahren sein. (…) Alles Lebende war bisher den Gesetzen der natürlichen Selektion und denen der Organischen Biochemie unterworfen. Aber das ändert sich gerade. Die Wissenschaft ersetzt die Evolution durch natürliche Selektion durch Evolution durch intelligentes Design.“
Science may enable life to break out into the inorganic realm. So after 4 billion years of organic life shaped by natural selection we are entering the era of inorganic life shaped by intelligent design. This is why the ownership of data is so important. If we don’t regulate it, a tiny elite may come to control not just the future of human societies, but the shape of life forms in the future. (…) How do we regulate the ownership of data? The future, not just of humanity, but the future of life itself may depend on the answer to this question.”
„Die Wissenschaft könnte es dem Leben ermöglichen in das Reich des Anorganischen vorzudringen. Nach 4 Milliarden Jahren organischen Lebens, geformt durch natürliche Selektion, dringen wir in das Zeitalter des Anorganischen Lebens, geformt durch intelligentes Design ein. Deshalb ist der Datenbesitz so wichtig. Wenn wir diesen nicht regulieren, dürfte eine kleine Elite nicht nur dazu kommen die künftigen menschlichen Gesellschaften zu kontrollieren, sondern die Beschaffenheit der Lebensformen in der Zukunft. (…) Wie kann man den Besitz von Daten regulieren? Die Zukunft, nicht nur der Menschheit, aber des Lebens selbst dürfte von der Antwort auf diese Frage abhängen.“
Warum interessiert sich das Weltwirtschaftsforum für den Philosophen Harari?
Harari selbst ist zweifellos einer der visionären Denker unserer Zeit und ich habe seine Bücher immer auch als Warnung vor einer dystopischen Zukunft verstanden. Auch die Rede vor dem Weltwirtschaftsforum hat er wahrscheinlich mit guten Absichten gehalten. Wahrscheinlich wollte er davor warnen, dass Datenmachtkonzentration in wenigen Händen zu unheimlich großen, noch nie dagewesenen Ungleichheiten führt, zu einer Gesellschaft, in der die meisten Menschen zur vollkommen versklavten Klasse der Überflüssigen gehören werden.
Die maßgeblichen Akteure des Weltwirtschaftsforum haben sicherlich offene Ohren für Hararis Analysen, könnten aber anders gelagerte Intentionen haben. Hararis Intention möge darin liegen, vor entstehenden Ungleichheiten zu warnen. Die derzeitigen „Supermächtigen“ mögen aber eher daran interessiert sein, die von Harari dargelegten gesellschaftlichen Phänomene so zu steuern, dass eigene Macht und Privilegien erhalten bleiben. „Supermächtige“ sind in der Regel superreiche Individuen, die über multinationalen Organisationen (Firmen, Stiftungen) organisiert sind und durch Erbe und die Mechanismen des „The winner takes it all capitalism“ zu Ihrer Stellung gekommen sind. Als Durchsetzungsorganisationen dienen, Think Tanks, Stiftungen, Internationale Organisationen, Politiker, Lobbyisten, Lehr- und Bildungssysteme, Finanzorganisationen und Geld. Selbst wenn diese Supermächtigen Individuen mehr gute als schlechte Absichten haben sollten, werden sich die Absichten durchsetzen, die den wirtschaftsdarwinistischen Mechanismen folgen.
Dass Harari beim Weltwirtschaftsforum (WWF) in Davos sprechen durfte ist sicherlich kein Zufall. Das WWF wird von uns als Veranstalter von Konferenzen, vor allem dem Jahrestreffen der Reichen und Mächtigen in Davos wahrgenommen, dabei dürfte diese als Stiftung organisierte Organisation weit mehr sein, als ein Konferenzveranstalter. Das selbsterklärte Ziel des WWF lautet „den Zustand der Welt zu verbessern“, woraus sich der Anspruch, die Welt aktiv zu gestalten ablesen lässt.
Diese aktive Gestaltung der Welt versucht das WWF derzeit durch die „Great Reset“ Initiative, deren Ziel die Transformation der gesamten Weltwirtschaft ist, durchzusetzen. Die „Great Reset Initiative“ soll eine 4. Industriellen Revolution zu einer digital-pharmazeutisch dominierten Ökonomie bewirken. Die erklärten Ziele des WWF enthalten fairere Märkte und mehr Gleichheit und Nachhaltigkeit in einer „stakeholder economy“. Auf der Eingangsseite der „Great Reset“ Initiative steht Covid-19 im Zentrum. Die Great Reset Initiative will demnach die globalen „stakeholder“ dazu aufrufen, den Konsequenzen von Covid-19 mit der „Great Reset Initiative“ zu begegnen, um die Welt zu verbessern (https://www.weforum.org/great-reset/).
De-facto ist es durch die Covid-19 Maßnahmen zu einem drastischen Einbruch der Weltwirtschaft gekommen, wobei insbesondere kleinere Unternehmen und Selbstständige leiden, während die großen Digitalkonzerne und auch die Pharmazeutische Industrie große Gewinne verbuchen. Hinsichtlich der Lieferwege kommt es zur Zerstörung der kleinen Geschäfte und einem Ausbau einiger weniger Firmen, allen voran Amazon, welche die weltweiten Vertriebsketten monopolisieren – eine Amazonisierung der Weltwirtschaft.
Die Ziele, die der WWF nach eigenem Bekunden mit dem „Great Reset“ befolgt, sind durchaus wohlmeinende. Sie strukturieren sich um die „Sustainable Development Goals“ (Nachthaltigen Entwicklungsziele) der Vereinten Nationen. Diese sind 1) Armut beenden 2) Ernährung sichern 3) Gesundes Leben 4) Bildung für alle 5) Gleichstellung der Geschlechter 6) Wasser und Sanitärversorgung 7) Nachhaltige und moderne Energie 8) Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung 9) Widerstandsfähige Infrastruktur und nachhaltige Industrialisierung 10) Ungleichheit verringern 11) Nachhaltige Städte und Siedlungen 12) Verantwortungsvoller Konsum 13) Klimawandel bekämpfen 14) Bewahrung und nachhaltige Nutzung der Ozeane 15) Landökosysteme schützen 16) Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen 17) Umsetzungsmittel und globale Partnerschaft stärken.
Diese Ziele sind alle sehr wohlklingend. Kritiker sagen, dass 17 Unterpunkte zu viel sind, als dass ein Mensch sie überblicken könnte. Befürworter argumentieren, dass eine komplexe Welt sich nur durch komplexe Konzepte erfassen läßt. Wenn also die Vereinten Nationen und die sie steuernden Organisationen und Lobbygruppen versuchen, ein derart umfassendes, möglichst vollständiges Bild der Ziele abzugeben, sollte man mal genauer hinsehen, welche Werte explizit nicht erwähnt sind. Hierbei fällt auf, dass Freiheitsrechte und demokratische Mitbestimmung mit Selbstbestimmung der Völker und Individuen nicht im Vordergrund stehen.
Eugenischer Transhumanismus als gerechtes Menschheitsprojekt?
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Mensch gezielt in die Evolution der eigenen Art eingreifen wird. Diese Verbesserung einfach geschehen zu lassen, könnte aber zu schweren gesellschaftlichen Verwerfungen führen, wenn biologisch unterlegene Menschenarten mit biologisch überlegenen Menschenarten zusammenleben müssen. Aldous Huxley hat in seinem utopischen Roman „Brave New World“ eine fiktive Gesellschaft, die durch genetische Klassen strukturiert ist, beschrieben, wobei die Zufriedentheit mit der eigenen Klassenzugehörigkeit genetisch mitverankert ist, so dass die Menschen zwar unfrei, aber zufrieden sind.
Entscheidend ist auch, ob genetische Verbesserungen im Wesentlichen über die Keimbahn erfolgen werden („Designerbabys“) oder ob ein lebender Homo sapiens „verbessert“ werden kann (kann ich mich durch Genmodifikation zu Lebzeiten intelligenter machen, den Alterungsprozess aufhalten und unsterblich werden?). Der Weg über die Keimbahn erfordert eine altruistische Elterngeneration, die den Kindern einen Vorteil verschaffen möchte. Theoretisch wäre die allmähliche Verbesserung der gesamten Menschheit von Generation zu Generation möglich, sozusagen als gemeinsames Menschheitsprojekt. Die Unterdrückung und Ausbeutung der jeweilig lebenden „unterlegenen Art“ durch die zeitgleich lebende „überlegene Art“ könnte so auch verhindert werden, da es sich bei der unterlegenen Art um die Eltern oder Großeltern der überlegenen Art handelte. Durch diese von Generation zu Generation erfolgende Optimierung könnte man sich die Höherzüchtung des Menschen sogar als einigermaßen harmonisch ablaufende Utopie jenseits der grauenhaften, faschistoiden Szenarien, die einem sonst bei diesem Begriff in den Sinn kommen, vorstellen. Voraussetzung wäre aber ein weltweit koordiniertes Vorgehen. Und hier wird es dann eben doch wieder totalitär anmutend, da die freie Entscheidung des Individuums über den eigenen Körper, bzw. stellvertretend über die Genetik der eigenen Kinder, mit einem weltweit abgestimmten Vorgehen schwer vereinbar ist. Wer entscheidet, wie und wann Genommodifikationen für die nächste Generation auszusehen bzw. zu erfolgen haben? Welche Bedeutung haben Individualität und Elternschaft noch, wenn der Nachwuchs sowieso genetisch angeglichen wird? Und wie kann sichergestellt werden, dass die Genommodifikationen der Folgegeneration dann auch weltweit einheitlich durchgesetzt werden und nicht allerorten eigene, kompetitiv vorteilhafte Modifikationen eingebracht werden? Und was ist mit den sicherlich zahlreichen Menschen, die sich weigern, sich oder ihre Kinder genetisch modifizieren zu lassen?
Wenn wir aber den sich abzeichnenden eugenischen Transhumanismus den „Kräften des Marktes“ überlassen, wird die Höherzüchtung des Menschen zu einem reinen Elitenprojekt werden. Genetische Optimierungen werden nur von reichen Menschen der globalen Oberschichten wahrgenommen werden können. Die der Erklärung der Menschenrechte zugrunde liegende Annahme, dass alle Menschen frei und wertgleich sind, würde hinfällig werden. Wahrscheinlich wäre es tatsächlich das Beste, den eugenischen Transhumanismus zu verhindern, allerdings bezweifle ich, dass das noch möglich ist. Schließlich ist dieses Übel bereits aus der Büchse der Pandora entwichen.
Insbesondere Eingriffe, die zur deutlichen Verlängerung des Lebens führen bis hin zum Konzept prinzipiellen Unsterblichkeit werfen neue existentielle Fragen für Gesellschaften und die ganze Menschheit auf: Wie könnte die Menschheit einem Überbevölkerungskollaps in wenigen Generationen entgehen, wenn plötzlich alle Menschen viele Hundert Jahre lebten und sich weiterhin fortpflanzten? Lebenszeit und Fortpflanzungsrechte würden dann zu einer zu verteilenden Ressource werden.
Durch die Verschmelzung von Mensch und Maschine können sich transhumanistische Kasten bilden mit priviligierten Schichten, die weitergehende Zugangsrechte im Internet haben und bessere Implantate tragen, deren Interaktion sie selbst stärker steuern können als Menschen niederer Sklavenkasten (Großteil der Menschheit). Ein „Offline“-Privileg, dass nur die obersten Kasten haben, ist z.B. denkbar, während der Masse der niederen Kasten dieses Privileg nicht zugestanden wird und diese auch kaum Steuerungsmöglichkeiten und somit keinerlei Privatsphäre mehr haben wird. Zugänge zu Macht und Einfluss lassen sich auch im virtuellen Raum über Zugangsrestriktionen streng regulieren. Gleichzeitig muss natürlich dafür gesorgt werden, dass die Menschen dennoch zufrieden, also zumindest materiell versorgt, sind und Zugang zu fesselnd unterhaltsamen und angenehmen virtuellen Welten erhalten. Im Grunde kann man ja jedem Individuum eine virtuelle Welt zugestehen, die dem Individuum gehört und in der das Individuum Macht und Einfluss, Wohlstand und Zufriedenheit, Erfüllung und Befriedigung erfährt. Dann ist die höchste (oder niederste?) nur vorstellbare Ebene der Sklaverei erreicht, nämlich die Situation, in der sich die Sklaven gegen ihre eigene Versklavung nicht mehr erheben, sondern sich stattdessen mit ihr identifizieren. Würden Transhumanismus und Eugenik so ihre Vollendung finden?