16. Lässt sich Eugenik 2.0 verhindern oder kontrollieren?
In der griechischen Mythologie enthielt die Büchse der Pandora das Schlechte der Welt und die Hoffnung. Als die Büchse geöffnet wurde, entwichen ihr die der Menschheit zuvor unbekannten Übel Arbeit, Krankheit und Tod, während die Hoffnung in der Büchse blieb. Heute sagen wir, die Büchse der Pandora sei geöffnet worden, wenn eine politische, gesellschaftliche oder technische Entwicklung eine schlechte Richtung genommen hat und diese nicht umkehrbar erscheint. Auch der Abwurf der Atombombe über Hiroshima wird zuweilen als eine Öffnung der Büchse der Pandora bezeichnet (126).
Inzwischen hat die Wissenschaft unzählig viele Pandora-Büchsen geöffnet, mit deren Folgen die Menschheit nun zurechtkommen muss. Man kann etwas erfinden, aber man kann nichts „entfinden“. Ein Wissen, das in der Welt ist, kann nicht mehr aus der Welt entfernt werden, heute in einer vernetzten Welt mit ihrem gnadenlosen Gedächtnis noch weniger als je zuvor. Wir können theoretisch alle Atomwaffen beseitigen, wir können aber nicht die prinzipielle Fähigkeit des Menschen, Atomwaffen zu bauen, aus der Welt schaffen (58).
Auch die biotechnologischen Fertigkeiten, die der Mensch erlangt hat, haben das Potential zu einer existentiellen Gefahr für die Menschheit zu werden. Die Anwendung der Biotechnologie an sich mit Veränderungen an Prokaryoten und an Pflanzen ist inzwischen schon zu einer weitverbreiteten Technologie geworden, die sich nicht mehr aus der Welt entfernen lässt. Auch gentechnische Eingriffe an Säugetieren finden bereits statt und wenn die Behauptungen einer gezielten Veränderung des CCR-5-Gens von Zwillingsschwestern wahr sind und die Kinder im Spätjahr 2018 geboren worden sind, dann haben nun auch schon die gezielten genetischen Eingriffe am Homo sapiens begonnen.
Wie ließe sich Eugenik 2.0 regulieren?
In Deutschland wurde 1990 erstmals ein Gentechnikgesetz erlassen. Dieses Gesetz reguliert im Wesentlichen den kontrollierten Einsatz gentechnischer Methoden zur Manipulation von Mikroorganismen, Tieren und Pflanzen. Manipulationen des menschlichen Genoms spielen in diesem Gesetz keine Rolle.
Im Jahr 1991 trat das Embryonenschutzgesetz in Kraft, um die in-vitro-Fertilisation gesetzlich zu regulieren, insbesondere unterbindet es die Erzeugung menschlicher Embryonen zu anderen Zwecken als der Entstehung eines neuen Menschen. Die Forschung an menschlichen Embryonen oder die Herstellung menschlicher Embryonen für Forschungszwecke ist somit in Deutschland verboten. Als menschlicher Embryo im Sinne des Gesetzes wird hierbei schon die befruchtete Eizelle gewertet. Die Tatsache, dass schon die befruchtete Eizelle als Embryo gilt, stellt die medizinische Forschung und Entwicklung vor einige Probleme, da Embryonenforschung nicht nur akademische Interessen nach Wissen über die embryologische Entwicklung bedient. Vielmehr sind embryonische Stammzellen etwas ganz Besonderes: Während Körperzellen bereits in ihren Anlagen so weit ausdifferenziert sind, dass sich aus einer Leberzelle nur andere Leberzellen und aus einer Muskelzelle nur eine andere Muskelzelle entwickeln können, also die „Spezialisierung“ der aus einer Zelle hervorgehenden Tochterzellen vorgegeben ist, können sich embryonale Stammzellen in alle möglichen verschiedenen Körperzellen ausdifferenzieren. So kann sich eine frühe Stammzelle in verschiedenste Zelltypen ausdifferenzieren, z.B. in eine Nervenzelle, eine Muskelzelle, eine Leberzelle oder eine Blutzzelle. Sie wird enstprechend als eine „totipotente“ Stammzelle (totus = lat. „ganz“, potentia = Vermögen, Kraft, Potential) bezeichnet. Allerdings sind Stammzellen nur in sehr frühen Entwicklungsstatdien, bis zum 8-Zellstadium totipotent, nämlich dann, wenn sich aus ihnen noch vollständige Organismen entwickeln können. Bei Zellen aus fortgeschritteneren Embryonen handelt es sich um pluripotente Stammzellen, die sich noch in viele verschiedene Körperzellen ausdifferenzieren können, aber halt nicht mehr in alle. Auch kann aus einer pluripotenten Stammzelle kein vollständiger Organismus mehr entstehen.
Totipotente Stammzellen haben ein enormes Potential für die Reparatur von Schäden an unserem Körper. In Deutschland ist die Herstellung totipotenter Stammzellen verboten, da hierfür Embryonen getötet werden müssten. Jedoch ist in besonderen Ausnahmefällen der Import von Embryonen aus dem Ausland erlaubt, sofern diese durch eine künstliche Befruchtung erzeugt wurden.
Könnten die Vereinten Nationen gentechnische Eingriffe am Menschen verbieten?
Wäre es also an der Zeit, gentechnische Eingriffe zu verbieten? Nach der CCR5 Modifikation bei den chinesischen Zwillingen wurden ja derartige Stimmen laut. Aber wie und auf welcher Ebene, könnte man gentechnologische Eugenik am Menschen verbieten? Letztendlich müsste es ein weltweites Verbot sein. Die einzige Instanz, die ein weltweites Verbot aussprechen könnte, sind die Vereinten Nationen (UNO). Allerdings wissen wir von anderen weltweiten Regeln der UNO, dass diese wirkungslos sind, wenn sie nur für einige UN-Mitglieder zu gelten scheinen, während mächtige UN-Mitglieder nach Gutdünken UN-Regeln ignorieren, verbiegen oder zum eigenen Nutzen instrumentalisieren, sobald dies vorteilhaft erscheint. Das Gewaltverbot wurde nach dem 2. Weltkrieg zu einem essentiellen Bestandteil der Charta der Vereinten Nationen. Zugleich wurden 3 Ausnahmeregeln verankert, in denen Gewalt in einer Art nationaler Notwehr gestattet sein kann. Diese drei Gewalt-legitimierenden Situationen sind:
Gegenwehr (Verteidigung) des Landes bei einer Aggression von außen
Unterstützung eines anderen Landes zur Verteidigung, nachdem das bedrängte Land um Unterstützung gebeten hat.
Kriegerische Maßnahmen mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats
Länder, die ein starkes Militär haben, brechen das UN-Gewaltverbot immer wieder, allen voran die weltweite Imperialmacht USA, die immer wieder illegale Kriege zur Sicherung und Aneignung von Rohstoffen oder zur Sabotage konkurierender wirtschaftlicher Entwicklungen geführt hat (78). Sollte sich ein genetischer Wettlauf abzeichnen, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Vereinigten Staaten nicht alles daransetzen werden, ganz vorne mit dabei zu sein. Auch die sich abzeichnende chinesische Konkurrenzmacht im 21. Jahrhundert würde sich wohl kaum zurückhalten lassen. In Deutschland würden wir aufgrund der in der Nazizeit im Namen der Eugenik verübten Verbrechen starke Vorbehalte gegenüber einem genetischen Wettrüsten haben und wahrscheinlich zurückbleiben. Kurzum, ich denke nicht, dass sich gentechnische Eingriffe am Menschen dauerhaft verhindern lassen. Auch wenn Keimbahneingriffe in vielen Rechtstexten untersagt sind und auch in Zukunft untersagt bleiben werden, müssen wir davon ausgehen, dass sie stattfinden und eine neue Eugenikphase einläuten werden. Auf lange Sicht erscheint es geradezu unmöglich, diese Entwicklungen zu verhindern, also bleibt nur zu hoffen, dass es gelingt, sie so zu regulieren, dass sie das Zusammenleben der Menschen nicht zur Hölle werden lassen.
Eugenik zur Anpassung an eine sich schnell ändernden Biosphäre
Menschliche Zivilisationen verändern die Umwelt. Von einst ausgedehnten Wäldern in den Ländern der Mittelmeerregion sind nach jahrhundertelanger Ausbeutung der Ressource „Holz“ nur noch kümmerliche Reste (z.B. auf der wunderschönen Insel Korsika) übrig geblieben und die Gebiete Nordafrikas, die einst die Kornkammer des römischen Reiches waren, sind nun wasserarme Wüsten. In den letzten 200 Jahren haben sich die Veränderungen der Biosphäre insbesondere durch Umweltverschmutzung und die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung beschleunigt und sind ein globales Phänomen geworden. Wenn früher eine Region oder eine Stadt durch Umweltzerstörung für Menschen unbewohnbar wurde (z.B. mangels Wasser), gab es immer noch andere Regionen, in denen die Menschen weiterexistierten. Die Biosphäre und die Athmosphäre haben sich in der Erdgeschichte und der Geschichte des Lebens immer wieder verändert. Vor 300 Millionen Jahren, im Karbon war der CO2-Gehalt der Atmosphäre mit 800 ppm zweimal höher als heute (über 400 ppm) und fast 3-mal höher als 1750 vor Beginn der Industrialisierung (280 ppm). Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre im Karbon, vor etwa 300 Millionen Jahren lag bei bei 35 % (heute 21 %), was neben der üppigen Flora auch die Entwicklung von Insekten enormer Größe begünstigte (Libellen mit 70 cm Flügelspannweite, 2 m lange Tausendfüßler). Der in den Lebensformen des Karbons gespeicherte Kohlenstoff lagerte sich nach deren Absterben und Zersetzung im Erdreich ab. Hierdurch führten insbesondere die Kohlesümpfe des Karbons zur Entstehung von Kohleflözen, die zum Namensgeber dieser Erdära wurden und die wir als Energieträger heutzutage ausbeuten.
Was die derzeit stattfindende Biosphärenveränderung einmalig macht, ist die Geschwindigkeit, mit der sie sich vollzieht. Manchmal wird das Paläozän-Eozän-Temperaturmaximum (PETM) vor 56 Millionen Jahren herangezogen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sich der Anstieg der Treibhausgase auf das Klima in der Biosphäre auswirkt. Während des PETM stieg die CO2-Konzentration der Atmosphäre von etwa 800 ppm auf über 2000 ppm in einem sehr kurzen Zeitraum von etwa 10.000 Jahren und die Temperaturen stiegen um 5–8 Grad Celsius.
Natürlich lässt sich das PETM nicht eins zu eins mit heute vergleichen. Die Polkappen waren eisfrei und die gesamte Erde war ein sehr warmer Ort mit feuchtwarmer tropischer Vegetation oder trockenen Wüsten. Die Mischung aus Tropenklima und hohem Kohlenstoffangebot ließ das pflanzliche Leben auf der Erde geradezu explodieren und machte die Landmassen der Erde zu einer grünen Hölle. In den Ozeanen hatte die Erwärmung jedoch wesentlich lebensfeindlichere Effekte. Viele Zooplanktonarten waren für die hohen Wassertemperaturen einfach nicht gemacht; zudem wurde das Wasser durch den kohlensäurebildenden CO2-Eintrag saurer. Hierdurch wurden zum Beispiel die Kalk-Gehäuse der sogenannten benthiformen Foraminiferen instabil, die uns bis heute als Fossilien kleiner Planktonlebewesen erhalten geblieben sind. Für die Landsäugetiere und Reptilien war das PETM jedoch eine gute Zeit. Die Primaten zum Beispiel entwickelten sich während des PETM prächtig.
Wie kam es zu diesem unheimlichen schnellen Anstieg an kohlenstoffhaltigen Treibhausgasen wie CO2 und Methan? Hierzu gibt es verschiedene Theorien, bei denen die Freisetzung von gebundenem Kohlenstoff eine Rolle spielt. Bei üppiger Vegetation würden großflächige, weitverbreitete Waldbrände viel CO2 freisetzen, ebenso das Abfackeln von Kohleflözen. Durch den Temperaturanstieg könnte es zu einer Freisetzung von Methan in den im Permafrost und an den ozeanischen Kontinentalschelfen gelegenen Methanhydratfeldern gekommen sein, was den Treibhauseffekt wiederum verstärkte. In geologischen Zeitdimensionen hielt das PETM nicht sonderlich lange an. Schon nach 3 Millionen Jahren, vor etwa 53 Millionen Jahren, fielen die Temperaturen wieder und vor 34 Millionen Jahren waren die Polkappen wieder vollkommen vereist. Wie es hierzu kam ist ebenfalls Gegenstand von Spekulationen. Chlorophyllhaltige Wasserpflanzen (Azola), die vor 49 Millionen Jahren die Meere überwucherten, banden demnach CO2 und nahmen es beim Absterben mit in die Tiefe. Der Entzug des Treibhausgases CO2 aus der Atmosphäre hätte demnach zu einer Abkühlung geführt.
In der Erdvergangenheit gab es immer mal wieder Zeiten, in denen die CO2-Konzentration und die Temperaturen deutlich höher waren als heute. Zuweilen waren dies Jahrmillionen, in denen das Leben florierte und zum Beispiel im Kambrium geradezu explodierte. Warum sind wir dann ob des menschgemachten CO2-Anstiegs so beunruhigt? Das Einmalige an diesem Anstieg ist die Schnelligkeit, mit der er erfolgt. Selbst in geologischen Zeitdimensionen sehr schnelle Anstiege wie der PETM erfolgten um mehrere Zehnerpotenzen langsamer als der jetzige Anstieg. Für eine evolutionäre Anpassung der menschlichen Spezies (und anderer Spezies) ist dieser CO2-Anstieg viel zu schnell (127). Vielleicht können wir uns durch (bio)technologischen Fortschritt und intelligente Lösungen anpassen.
Arbeitsmedizinische Studien, die den Effekt der Luftqualität in Büroräumen auf Menschen untersuchten, ergaben, dass schon CO2-Konzentrationen unter 1000 ppm die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können oder zumindest als unangenehm empfunden werden (128-130). (Die athmosphärische CO2– Konzentration liegt etwa bei 415 ppm und lag bei 280 ppm vor Beginn der Industrialisierung vor 300 Jahren). Akute Gesundheitsschäden (Schwindel und Kopfschmerz) treten zwar erst ab CO2-Konzentrationen um die 40.000 ppm (entspricht etwa der CO2-Konzentration in der Ausatemluft) auf, jedoch wissen wir nicht wie sich permanent erhöhte CO2-Konzentration auf das Gedeihen des Homo sapiens auswirken. Das im Jahr 2020 weltweit breitflächig angeordnete Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen („Masken“) führt zu einer Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atemluft, da die Ausatemluft einen CO2 Gehalt von etwa 4% (40.000 ppm) hat und die Luft unter der Maske eine Mischung aus Ausatem- und Umgebungsluft ist. Die Menschen ermüden schneller und das körperliche Wohlbefinden wird beeinträchtigt. Ob es durch das mehrstundige Tragen von Masken zu dauerhaften Gesundheitsschäden kommt ist bislang unbekannt.
Selbst unter Ausblendung der Effekte, die CO2 auf die Biossphäre hat (Klimawandel) kann es für das Überleben des Homo sapiens notwendig werden, dauerhaft in einer Atmosphäre mit höheren CO2 Konzentrationen als in den letzten 800.000 Jahren, in denen sich der Mensch evolutionär enttwickelt hat, leben zu können. Die Frage, ob das Maskentragen die Anpassung des Homo sapiens an erhöhte CO2-Konzentration in der Luft fördern könnte, überlasse ich den Spekulationen des Lesers.
Aus Eisbohrkernen kann die Luftzusammensetzung in früheren Zeiten ermittelt werden. Der CO2-Gehalt der Erdatmosphäre war während der gesamtem Existenzzeit des Homo sapiens bis etwa 1750 stabil bei 280 ppm (parts per million). Inzwischen ist der CO2-Gehalt deutlich über 400 ppm gestiegen. Derzeit ist nicht nur eine Zunahme der CO2-Werte festzustellen, sondern eine Zunahme der Zunahme der CO2-Werte (exponentielles Wachstum). Noch vor Ende des Jahrhunderts werden die atmosphärischen CO2-Werte 600 ppm überschreiten. Bei solchen Konzentrationen in Büro- oder Schulräumen werden kognitive Leistungen und die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtig. Wenn erst einmal die ganze Erdatmosphäre derart hohe CO2 Konzentrationen aufweist, stellt Lüften keine Abhilfe mehr da. CO2 wird im menschlichen Körper zu 85% in den Erythrozyten durch das Enzym Carboanhydrase mit Wasser zu Kohlensäure verstoffwechselt, wodurch der Körper „versauert“. Etwa 8% des CO2 werden im Blut physikalisch gelöst und die verbleibenden 7% als Carbaminoverbindung an die Beta-Ketten des Hämoglobins gebunden (131). Ob hier irgendwo Ansatzpunkte liegen, den menschlichen Organismus CO2-resistenter zu machen, kann ich nicht beurteilen, jedoch könnte ein an höhere CO2-Konzentrationen angepasster Organismus in ein paar hundert Jahren notwendig sein, um in der dann vorherschenden Luft leben zu können. Hierzu wäre aber nicht zwangsläufig eine gentechnische Anpassung nötig, da es plausibel erscheint, dass der menschliche Organismus sich anpaßt. Völker, die in hohen Lagen zu Hause sind, zeigen nicht nur die physiologische Anpassung an die Höhenbedingungen (niedrigerer Sauerstoffgehalt, niedrigerer Luftdruck), sondern Zeichen von Anpassungen auf Genom-Ebene. So haben Tibeter weitere Gefäße, in denen mehr Sauerstoff bei Reduzierung der Thrombenbildungsgefahr transportiert werden kannn. Interesanterweise findet sich die für Höhenanpassungen typische Sequenzfolge der Tibeter im sogenannten EPAS1 Gen auch beim Denisova Mensch, der bis vor vor 60.000 Jahren lebte und dessen DNS aus einem im südsibirischen Altai Gebirge gefundenen Fingerknochen isoliert werden konnte. Inzwischen wurde ein Unterkieferknochen eines Denisova Menschen im Tibetanischen Hochland gefunden (39).