11. Eugenik in Amerika und im Nationalsozialistischen Deutschland

In Amerika gründete Charles Davenport im Jahr 1890 auf Long Island die Cold Spring Harbor Laboratories, wo er auch das amerikanische Eugenik Register (Eugenics Record Office) etablierte. Eine wichtige Rolle spielte seine Frau, Gertrude Davenport, eine Embryologin. Das Eugenics Record Office wurde von der Carnegie Stiftung und der Rockefeller Familie getragen, zwei der mächtigsten, auch heute noch tätigen Stiftungen. Tatsächlich muss man insbesondere die Arbeit des Registers als wissenschaftlichen Rassismus bezeichnen. Von hier aus wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insbesondere negative Eugenikmaßnahmen, die die Fortpflanzung von als genetisch minderwertig eingeschätzten Individuen verhindern wollten, in ganz Amerika propagiert und gesteuert. Negative Eugenik wurde durch Einwanderungsbeschränkungen, Zwangssterilisierungen und Unterbringung in geschlossenen Anstalten betrieben. Die Zwangssterilisierungen waren vom Gesetzgeber rechtlich abgesichtert, d.h. die ausführenden Ärzte machten sich nicht strafbar, sondern wurden durch zahlreiche Gesetze sogar dazu angehalten, im Dienste der Allgemeinheit Zwangssterilisierungen durchzuführen.

Berühmt wurde der Fall der damals 20-jährigen Millionenerbin Ann Cooper Hewitt, der 1934 während einer Appendektomie die Eierstöcke entfernt wurden. Veranlasst hatte diese Sterilisierung Ann’s Mutter, da Ann unehelich mit einem Millionär gezeugt worden war und Ann’s Erbe davon abhing, selbst Kinder zu bekommen, wodurch es nicht mehr direkt für ihre Mutter verfügbar gewesen wäre. Ann Hewitt verklagte die Chirurgen und ihre Mutter. Der Fall wurde außergerichtlich beigelegt.

Die Nationalsozialisten

Das Jahr 1933 gilt in der deutschen Geschichte als das Jahr der Machtergreifung bzw. Machtübernahme der Nationalsozialisten mit dem „Führer“ Adolf Hitler. Hierbei handelte es sich keinesewegs um eine gewaltsame Machtergreifung durch einen Putsch. Tatsächlich wurde Adolf Hitler am 30. Januar 1933 vom damaligen 85-jährigen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg als Wahlsieger der im November 1932 stattgehabten Reichstagswahlen zum Reichskanzler ernannt. In den folgenden Monaten gelang es den Nationalsozialisten, über von Reichspräsident Hindenburg erlassene Notverordnungen, ihre Macht zu konsolidieren. Am 1. Februar wurde so der Reichstag aufgelöst. Durch die am 28. Februar folgende Reichstagsbrandverordnung wurden die Bürgerrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt und durch das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 wurde die Gewaltenteilung aufgehoben und die gesetzgebende Gewalt an Adolf Hitler abgegeben. Innerhalb weniger Wochen war es den Nationalsozialisten also gelungen, eine parlamentarische Demokratie in eine nach dem Führerprinzip agierende Dikatur umzuwandeln. Der greise Hindenburg war hierbei wohl eher eine tragische, von den Nationalsozialisten instrumentalisierte Figur. Ende Juli verschlechterte sich Hindenburgs Zustand rapide und am 2. August verstarb er auf Gut Neudeck in Ostpreußen. Hitler organisierte ein ehrenvolles, propagandawirksames Begräbnis im Ehrenmal der Schlacht zu Tannenberg und integrierte das Amt des Reichstpräsidenten in das Amt des Reichskanzlers, also in seiner Person. Schon lange vor seiner Machtergreifung hatte Hitler kein Geheimnis aus den rassistsichen Ideologien gemacht, denen er anhing. Die Verbreitung von Hitlers ideologischem Hauptwerk „Mein Kampf“ war in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg nicht erlaubt. Zudem war bis 2016 der Nachdruck nach dem Urheberrecht verboten. Im Jahr 2016 gab das Münchner Institut für Zeitgeschichte eine kommentierte Ausgabe heraus und inzwischen lassen sich über eine Suchmaschine im Internet PDF Fassungen von „Mein Kampf“ finden.

Mein Kampf

Nach dem gescheiterten Münchner Bürgerbräu-Putsch im November 1923 saß Hitler für 9 Monate in Festungshaft in Landsberg am Lech. Bei der Festungshaft handelt es sich um eine Arrestform des preussischen Rechts, die als „ehrenhaftes Gewarsam“ galt und bei politisch motivierten Strafttaten verhängt wurde, denen eine ehrenhafte Gesinnung unterstellt wurde. Die Festungshaft nutzte Hitler, um sein 2-bändiges politisch-ideologisch-weltanschauliches Werk „Mein Kampf“ zu schreiben. Während der erste Band eher autobiographisch ist, finden sich im zweiten Band ausführlichere programmatische Aussagen, denen ein die „arisch-germanische“ Rasse bevorzugender Rassismus zu Grunde liegt. So hat Hitler in mein Kampf Eroberungskriege insbesondere mit Ausdehnung des Lebensraums des deutschen Volkes nach Osten („Lebensraum im Osten“) angekündigt, wobei er sich zur Vermeidung eines Zweifrontenkrieges eine Vereinigung mit England und einem faschistischen Italien wünschte. Bei seinen antisemitischen Ausführungen vermischte Hitler rassistische Motive mit Tiraden, gegenüber in seinen Augen jüdischen und somit zu vernichtenden Weltanschauungen wie dem Marxismus und der Sozialdemokratie, aber auch dem „jüdischen Bolschewismus“ und dem „jüdischen Börsenkapital“. Inhaltlich-wissenschaftlich sind die Ausführungen eher schlicht, zuweilen wirr und selbst bei skrupel-und ethikloser Betrachtung nicht nur gegen Ethik und Moral, sondern auch gegen die Wahrheit verstoßend (also falsch). Dennoch muss man mein Kampf als eines der wirkmächtigsten politischen Bücher betrachten, schließlich wurden hier die Grundlagen für viele schlimme Ereignisse und Verbrechen gelegt, die das Leben von Millionen von Menschen (in der Regel zum Schlechten) veränderten und das Leben von Millionen von Menschen kosteten.

Nürnberger Rassengesetze

Im September 1935 erließ der Reichsparteitag der NSDAP die Nürnberger Rassengesetze, welche in den „Blutgesetzen“ und den „Reichsbürgergesetzen“ die Grundlage für die folgenden Judenverfolgungen und Ermordungen legten (87). Die Nürnberger Gesetze stellten die Verrechtlichung der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten dar. Die aktive Beteiligung von Ärzten und Wissenschaftlern zeigt sich an der Übertragung der Mendelschen Gesetze auf die Klassifizierung von Menschen gemäß der nationalsozialistischen Rassenideologie. Demnach gab es Volljuden, das waren Personen mit 3 jüdischen Großeltern und „Mischlinge ersten Grades“, das waren Personen mit einem jüdischen Elternteil oder zwei jüdischen Großeltern. Personen mit einem jüdischen Großelternteil, wurden als „Mischlinge zweiten Grades“ eingestuft. Im Blutschutzgesetz wurde die Ehe und der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Deutschen und Juden verboten, wobei bei einem als „Rassenschande“ bezeichneten Vergehen nur jeweils der Mann bestraft wurde (egal ob Mann oder Frau als Jude eingestuft worden waren). Jüdische Mischlinge ersten Grades mussten, wenn sie Deutsche oder jüdische Mischlinge zweiten Grades ehelichen wollten eine Sondergenehmigung beantragen (der meist nicht stattgegeben wurde).

Wannseekonferenz

Bei der berüchtigten Wannseekonferenz, bei der im Januar 1942 der bereits begonnene Holocaust mit dem erklärten Ziel der Vernichtung der europäischen Juden durchorganisiert wurde war Hitler nicht anwesend. Vielleicht wird die tatsächliche Bedeutung der Wannseekonferenz in der populären Wahrnehmumg auch überschätzt, da die Massenmorde an den Juden in Deutschland, Polen und der Sowjetunion schon überall auf breiter Fläche stattfanden und bis zur Wannseekonferenz schon bis zu 1 Million Juden ermordet worden waren.

Aktion T4 – Vernichtung unwerten Lebens

In Berlin, nahe des Postdamer Platzes, auf dem Platz vor der in dern 1960er Jahren errichteten Berliner Philharmonie, findet sich ein Denkmal mit Gedenk- und Informationstafeln zur „T4 Aktion“. T4 ist ein Kürzel, das sich von der damaligen Adresse Tiergartenstrasse 4 ableitetet, wo bis Kriegsende eine Villa stand, in der seit 1940 die Planungs- und Verwaltungsbehörde für die Koordination von Euthanasiemorden an Menschen, deren Leben nach nationalsozialistischer Ideologie als „lebensunwert“ eingestuft wurde, untergebracht war. Demnach wurden hier verdeckte Aktionen zur Ermordung körperlich und geistig behinderter Menschen und psychisch kranker Menschen geplant. Bewohner von psychiatrischen Anstalten, Heil- und Pflegeanstalten wurden über Meldebögen von Ärzten erfasst. Diese Meldebögen wurden hinsichtlich Arbeitsfähigkeit und Rassenzugehörigkeit ausgewertet. Gemeldete Personen wurden, wenn sie nicht arbeitsfähig waren, in sechs nahegelegenen Tötungsanstalten durch Gas umgebracht. Das Programm T4 wurde im Jahr 1941, ein Jahr nach Beginn, aufgrund öffentlicher Proteste eingestellt. Das Morden in den Konzentrationslagern und vor allem in osteuropäischen, von Nazi-Deutschland überfallenen Ländern ging allerdings bis Kriegsende weiter.

Der Lebensbrunnen

Lebensborn e.V. (eingetragener Verein) klingt nach einer Initiative engagierter Bürger, die einen Verein gegründet haben, der sich z.B. mit Biolandbau oder Kleintierzucht beschäftigen könnte. Das Wort „Born“ allein ist ein altes, in poetischen Werken zuweilen verwendetes Wort, welches einen Brunnen bezeichnet. Wer in der jüngeren deutschen Geschichte etwas bewandert ist, wird bei Lebensborn aufhorchen und sich zumindest dran erinnern, dass es irgendetwas mit den unsäglichen Jahren zwischen 1933 und 1945 zu tun haben könnte, also der Zeit des Nationalsozialismus. Lebensborn e.V. war ein von der SS (Schutzstaffel) getragener Verein, der das Ziel hatte, die gemanisch-arische „Rasse“ bei der Fortpflanzung zu begünstigen.

In der Rassenideologie der Nazis war die nordisch-germanisch Rasse, die (den Begriff missbrauchen) als „Arier“ bezeichnet wurde allen anderen Rassen überlegen und durch die gezielte Zucht von Ariern sollte die Führungselite der Menschheit herangezüchtet werden. Da die Deutschen nach dieser Ideologie von den Ariern abstammten, stellten Deutsche mit ausgeprägten nordisch-germanischen Merkmalen das „Zuchtmaterial“ für die Arierzucht. Das Ziel der Lebensbornbewegung war also der Erhalt und die Erweiterung der „arischen Rasse“.

Treibende Kraft hinter den Bemühungen, diese rassistischen Ideologien umzusetzen war Heinrich Himmler, der Reichsführer der SS. Entsprechend sollten SS-Soldaten groß, blond und blauäugig sein, um dem Idealtypus Himmlers zu entsprechen. Da viele Deutsche nicht diesem Idealbild entsprachen (sondern z.B. klein und dunkelhaarig waren, wie der „Führer“) wollte Himmler die in den Deutschen angelegte „arische Rasse“ nicht nur erhalten, sondern, bei der Fortpflanzung unterstützen, um in künftigen Generationen mehr Arier zu haben und deren rassisch-arische Merkmale über die Generationen zunehmend stärker zur Geltung zu bringen. Ende 1935 wurde hierzu der Lebensborn e.V. gegründet, der im ganzen Reichsgebiet und später auch in besetzten nordischen Gebieten (z.B. Norwegen) Zuchteinrichtungen etablierte. Die Lebensbornheime hatten Entbindungs- und Erziehungsheime integriert und ermöglichten und erleichterten die Paarung ausgewählter „germanisch-arischer“ Frauen mit „strammen SS-Männern“.

Während des dritten Reiches werden etwa 11.000 Lebensbornkinder im Deutschen Reich geboren. Die „auserwählten“ Kinder wurden zuweilen in Fremdbetreuung in besonders arische Familien, die diese adoptierten, gegeben. In den eroberten Gebieten Osteuropas wurden gezielt „arisch“ wirkende Kinder gesucht, aus ihren Familien gerissen und in Lebensbornheime verschleppt, wo sie dann unter geänderter germanischer Identität und deutschem Namen aufwachsen und Deutsch anstatt ihrer Muttersprache sprechen mussten. Unterlagen, welche die ursprüngliche Identität des Kindes auswiesen, wurden vernichtet und durch Unterlagen zur neuen arischen Identität ersetzt. Ideologisch gefestigte nationalsozialistische Ehepaare kamen gerne mal in die Lebensbornheime, um sich ein Kind zur Adoption auszusuchen. Bei den entführten Kindern handelte es sich nicht nur um kleine Kinder, sondern auch um ältere Kinder, so wird z.B. von hunderten slowenischen Kindern zwischen 6 und 12 Jahren berichtet, die in deutsche Nazifamilien von Lebensbornfunktionären verschleppt wurden (88). Auf der Liste der slowenischen Kinder befand sich auch jeweils eine Kurznotitz, die anzeigte, dass die Eltern erschossen worden seien. Kinder, die nach ausführlicher Untersuchung nicht den arischen Rassenstandards entsprachen, wurden in Konzentrationslager verbracht, wo sicherlich viele starben. Kinder, deren alleinstehende Mutter von einem SS-Mann befruchtet worden war und für die keine Adoptionsfamilie gefunden werden konnte, wurden in den Lebensbornheimen unter ärztlicher Aufsicht von linientreuen Schwestern aufgezogen. Medizinische Berufe spielten eine maßgebliche Rolle bei der Implementierung des Lebensbornprogramms. Der ärztliche Leiter aller Lebensbornheime war Gregor Ebner, der vorher der Hausarzt Himmlers war. Am Ende des 2. Weltkrieg war die Zahl dieser ins Lebensbornprogramm verschleppten Kinder wohl deutlich höher als die der durch die „Lebensbornzucht“ geborenen Kinder. Insgesamt gab es wohl um die 200.000 Lebensbornkinder.

Waren die Deutschen meiner Großelterngeneration „schlechte Menschen“?

Während meiner medizinischen Studien- und Ausbildungsjahre hatte ich sehr viel Kontakt zu Menschen meiner Großelterngeneration, da diese aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters vermehr mit Krankheiten und Gebrechen konfrontiert waren und somit die deutschen Krankenhäuser bevölkerten (wer 1940 zwanzig Jahre alt war, erreichte 2000 sein 80.-tes Lebensjahr). Die meisten Menschen, die ich in den Krankenhäusern kennenlernte waren normale Menschen mit charakterlichen Stärken und Schwächen, freundlich und rücksichtsvoll mit guten Manieren und Anstand und unterschieden sich in ihren Charakterzügen nicht nennenswert von alten Menschen, die ich in meinen Auslandsjahren in Gabun, England und Frankreich kennenlernte.

Dennoch muß man davon ausgehen, dass viele dieser Menschen zur Zeit der Nationalsozialisten Dinge getan haben, die im Nachhinein als Verbrechen gewertet würden. Es gibt keine eindeutig guten und schlechten Menschen, nur gute und schlechte Taten, und selbst hierbei ist die Einordnung in gut und schlecht an Kategorien gebunden, die nicht aus Naturgesetzen hervorgehen, sondern die der menschliche Geist festlegen muß. Die Menschen sind schlichtweg Kinder ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft und entwickeln Verhaltensweisen, die durch die Umstände und die Gesellschaft z.B. durch Anerkennung, Stellung und Reichtum verstärkt werden. Andere Verhaltensweisen und Ideen werden selektiert, sei es durch „Niederschreien“ oder gar durch Ermordung des Menschen, der die nicht dem Machtsystem konforme Idee ausgesprochen hat. Die Ermordung der Idee oder des Menschen wird dabei meist nicht durch eine verantwortliche Führungsperson durchgeführt, sondern durch Handlanger, die „nur auf Befehl“ handeln. Aber warum sind diese Handlanger so gerhorsam?

Das Hume’s Paradox: Warum können so wenige so viele unterwerfen?

Noam Chomsky wies in seinen Reden immer wieder auf die Tatsache hin, dass autoritäre Machtsysteme stärker und mächtiger wirken, als sie eigentlich sind. Die de facto Macht läge eigentlich in der Hand der „Vielen“, die der Macht „Weniger“ unterworfen sind.  Dieses Phänomen nannte Chomsky „Hume’s Paradoxon“ nach dem schottischen Aufklärungsphilosophen David Hume (1711-1776). Insbesondere in Staaten und Machtsystemen, die äußerlich Meinungsfreiheit gewähren, sei deshalb die Medien- und Meinungsindustrie von außerordentlicher Wichtigkeit: Wenn man den der Macht Unterworfenen zugesteht, frei Ihre Meinung zu äußern, muss man dafür sorgen, dass das im Volk entstehende Meinungsspektrum im Interesse der Machthaber liegt (89). Die Aufgabe des Medienapparates liegt also darin, die „öffentliche Meinung“ so zu steuern, dass die „Mehrheitsmeinung“ zu Disziplinierungsmechanismen führt, so dass Abweichler durch andere Menschen aus dem Volk bestraft werden, z.B. durch Diffamierung und soziale Ächtung.

Wie die menschliche Evolution Machtmissbrauch und Unterwerfung fördert

Diese „Public-Relation (oder Propaganda) -orientierte Erklärung für die Tatsache, dass Menschen sich Macht unterwerfen ist sicherlich zutreffend, insbesondere in den „westlichen Demokratien“ des 20. Jahrhunderts. Allerdings denke ich, dass diese Tendenz der Menschen, insbesondere als Gruppe, sich Macht zu unterwerfen, auch Erbe der menschlichen Evolution ist.

Kein anderes Tier hat eine derart lange Phase der totalen Abhängigkeit von Artgenossen wie der Mensch. Während dieser Jahre der natürlichen Abhängigkeit, der Kindheit, wird gehorsames Verhalten immer wieder verstärkt: Ein gehorsames Kind wird von den Eltern durch Zuwendung und Liebe belohnt. Die Macht, der wir über die Jahre unserer Kindheit unterworfen sind ist also meist eine gute Macht und die Unterwerfung darunter ist angenehm. Zu dieser behavioristischen Erklärung der menschlichen Gehorsamkeitsneigung kommt jedoch noch eine evolutionäre: Die Wahrscheinlichkeit als Mensch das fortpflanzungsfähige Alter zu erreichen ist höher, wenn ein Kind sich einigermaßen bereitwillig der, in der Regel auch positiven und gutwilligen Macht der Eltern oder anderer Aufsichtspersonen unterwirft. Ein Kind in grauer Vorzeit, dass sich an die Anweisung der Eltern, bei der Gruppe zu bleiben und sich von Löwen fernzuhalten, hielt, hatte sicherlich bessere Aussichten, das fortpflanzungsfähige Alter zu erreichen.

Leider sind die charakterlichen Merkmale, die Menschen zu Eltern werden lassen nicht die gleichen Merkmale, die den Weg zu machtvollen Positionen ebnen. Dennoch werden politische Führer gerne mit Fürsorgepersonen verglichen (der Vater des Volkes, der große Bruder, die Mutter der Nation, oder mit weniger Pathos einfach nur Mutti). Auch ist eine gesellschaftliche Infantilisierung der Machterhaltung dienlich.

Die wohlmeinenden Absichten, die der Eugenik zu Grunde lagen

Wenn wir heutzutage über Eugenik reden, denken wir automatisch an übelsten Rassismus und die Massenmorde, die insbesondere von den Nazis unter eugenischen Motiven betrieben wurden. Hierbei wird leicht übersehen, dass die Eugenikbewegungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sehr idealistische und wohlmeinende Ziele hatten, nämlich die Gesellschaft zu verbessern, aber auch den Menschen zu helfen. Menschen mit angeborenen Krankheiten bekamen verstärkt medizinische Aufmerksamkeit, sehr wohl mit der Absicht, deren Leben zu verbessern. Mit der Eugenik entstanden in den Vereinigten Staaten die ersten Anstalten für geistig Behinderte, die ersten Blindenschulen und andere Einrichtungen zur Unterstützung behinderter Menschen. Allerdings machte sich bei den Helfern auch eine gewisse Hilflosigkeit breit, ob der wenigen therapeutischen Möglichkeiten und der Unmöglichkeit von Heilungen. Ein logisch erscheinender Schluss musste sein, dass sich angeborene Krankheiten nur vermeiden ließen, wenn man vermied, dass Kinder mit Erbkrankheiten geboren wurden; oder positiv ausgedrückt, indem man versuchte dafür zu sorgen, dass Kinder gesund auf die Welt kamen. Auf gesellschaftlicher Ebene wollten die Eugeniker die Zahl von Menschen, die mit Behinderungen auf die Welt kamen reduzieren, einerseits um Leiden zu reduzieren, aber andererseits auch, um die Produktivität der Gesellschaft zu erhöhen. Auf diese Ziele sollte durch positive oder negative Eugenikmaßnahmen hingearbeitet werden. Bei positiven Eugenikmassnahmen wurden Paare mit als positiv erachteten Eigenschaften ermutigt, Kinder zu bekommen und dann bei der Erziehung der Kinder aktiv unterstützt, um so die Zahl gesunder Kinder zu erhöhen. Zu den brutalen Auswüchsen führten die Konzepte der negativen Eugenik, da hier die Selektion durch grausame Maßnahmen bis hin zum Massenmord betrieben wurde.